Das Problem kennen wir alle: Ein Unternehmen möchte sich zwar sehr gerne digitaler aufstellen, aber die Umsetzung will nicht so wirklich glücken. Denn Digitalisierung heisst nicht nur Papierprozesse digital abzubilden, sie bedeutet, Prozesse grundlegend neu zu denken und echten Mehrwert zu schaffen. Die IT weiss zwar, was technisch alles möglich wäre, kann aber die fachlichen Anforderungen oft nicht richtig einschätzen. Die Fachabteilung hingegen sieht aus ihrer Perspektive andere Möglichkeiten, kennt jedoch die technischen Potenziale nicht. So stehen beide einander gegenüber, ohne eine gemeinsame Lösung zu finden. Am Ende spricht jeder seine eigene Sprache und echte Fortschritte bleiben aus.
Die Konsequenzen dieser Kommunikationskluft sind weitreichend: Die Geschäftsleitung geht davon aus, dass die strategischen Ziele mit Digitalisierungsprojekten erreicht werden – doch diese liefern nicht die erhofften Ergebnisse. Die unbefriedigende Zusammenarbeit führt zu Frustration und Stagnation. Im schlimmsten Fall wandern motivierte Mitarbeitende zur Konkurrenz ab, welche die digitale Transformation besser meistert. Geschäftspartner bekommen ein verkehrtes Bild des Unternehmens oder der Organisation und ziehen sich möglicherweise zurück. Gleichzeitig erwarten Kunden heute, dass ihre Lieferanten und Organisationen State-of-the-Art-Technologien nutzen – auch im Service, der hier eine große Rolle spielt. Zu guter Letzt sinkt der Marktwert oder die Glaubwürdigkeit und somit Umsatz und Gewinn.
Aber was wäre, wenn es ein einfaches Werkzeug gäbe, das beide Welten zusammenbringt? Genau das ist die Wardley Map – ein visuelles Hilfsmittel, von dem sowohl Fachexperten als auch IT-Spezialisten begeistert sind.
Was ist eine Wardley Map und warum sollte sie Sie interessieren?
Eine Wardley Map ist ein strategisches Visualisierungswerkzeug, das Unternehmen und Organisationen dabei hilft, ihre Geschäftsprozesse, IT-Landschaften und strategischen Optionen besser zu verstehen. Entwickelt von Simon Wardley, basiert das Konzept auf der Idee, dass jede technologische oder organisatorische Komponente einer Entwicklung unterliegt, die sich von einer innovativen Idee hin zu einem standardisierten Produkt bewegt.
Die Wardley Map besteht aus zwei Achsen:
- Vertikale Achse: Zeigt die Sichtbarkeit eines Elements – von internen Komponenten, die für Endnutzer unsichtbar sind, bis hin zu jenen, die von Kunden direkt wahrgenommen werden.
- Horizontale Achse: Stellt die Evolution eines Elements dar – von der experimentellen Phase über kundenspezifische Lösungen und standardisierte Produkte bis hin zur Commodity (also etwas, das als Standard angesehen wird und weit verbreitet ist).

Der entscheidende Vorteil: Die Map schafft eine gemeinsame Sprache zwischen Fachabteilungen und IT.
Durch diese strukturierte Visualisierung wird sofort erkennbar, wie einzelne Prozesse und Technologien zusammenhängen und welche strategische Bedeutung sie haben. Plötzlich sehen beide Seiten auf einen Blick:
- Welche Komponenten für den Geschäftserfolg wirklich kritisch sind
- Wo Standards bereits etabliert sind und einfach genutzt werden können
- Wo echte Innovation den grössten Mehrwert schafft
- Welche Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Elementen bestehen
Diese gemeinsame Sichtweise führt zu klarerer Kommunikation und besseren Entscheidungen. Ihre Organisation kann gezielter investieren: Entwickeln Sie nur dort selbst, wo es einen echten Wettbewerbsvorteil bringt, und nutzen Sie bestehende Lösungen, wo diese ausreichen. So setzen Sie Ihre begrenzten Ressourcen genau dort ein, wo sie den grössten Nutzen stiften.
Wie Sie Wardley Maps in Ihrem Unternehmen oder Organisation einsetzen können
Der Einstieg ist einfacher als gedacht:
- Workshop organisieren: Bringen Sie Fachexperten, IT-Spezialisten und Führungskräfte zusammen.
- Kernfragen klären:
- Was sehen und erleben Ihre Kunden direkt?
- Welche Prozesse und Technologien laufen im Hintergrund?
- Wo nutzen Sie bereits Standards, wo experimentieren Sie noch?
- Map erstellen und weiterentwickeln
Ein praktisches Beispiel: „Once Only“ in der öffentlichen Verwaltung
Das „Once Only“-Prinzip bedeutet, dass Bürger ihre Daten nur einmal angeben müssen und Behörden diese dann intern weiterverwenden. Die Umsetzung ist jedoch komplex.
Mit einer Wardley Map lassen sich die wichtigsten Elemente identifizieren und einordnen und somit die kritischen Abhängigkeiten aufzeigen. Diese Visualisierung macht für alle Beteiligten auf einen Blick klar, welche Technologien bereits vorhanden sind und welche noch entwickelt werden müssen.
So sieht die konkrete Vorgehensweise aus
1. Elemente identifizieren:
Die Verwaltung ermittelt die zentralen Elemente, die für eine „Once Only“-Umsetzung erforderlich sind, z.B.:
- Datenquellen (bestehende Register wie Einwohnermelderegister, Handelsregister, Steuerdatenbanken)
- Datenabgleich (Systeme zur Validierung und Zusammenführung vorhandener Daten)
- Zugriffsrechte und Datenschutz (Sicherstellung von Datenschutzrichtlinien und Zugriffsmanagement)
- Fachverfahren (z. B. Genehmigungsprozesse, die auf bereits vorhandene Daten zugreifen müssen)
- Bürger-Interaktion (Schnittstellen zur Antragstellung und Statusverfolgung)
2. Sichtbarkeit bestimmen:
Nicht alle Komponenten sind für den Bürger direkt sichtbar:
- Sichtbar: Antragstellung, Statusverfolgung (Transparenz für den Bürger, dass Daten wiederverwendet werden)
- Weniger sichtbar: Datenquellen, Datenabgleich, Datenschutz und Fachverfahren (laufen im Hintergrund, um eine medienbruchfreie Bearbeitung zu ermöglichen)
3. Entwicklungsstadium einordnen:
Für jedes der aus eigener Sicht relevanten Elemente, wird nun das Entwicklungsstadium eingeordnet. Dabei können diese Punkte auch noch in Beziehung mit den jeweiligen Verantwortlichen oder Bedürfnisträgern gebracht werden. Dies könnte dann z.B. so aussehen:
Die Die Map zeigt auf einen Blick, welche Elemente voneinander abhängen und in welcher Entwicklungsphase sie sich befinden. Nehmen wir das „Once Only“-Prinzip als Beispiel:

Ein Blick auf die Map verrät sofort, wo die kritischen Abhängigkeiten liegen: Das „Once Only“-Prinzip (Daten nur einmal erfassen müssen) kann nur funktionieren, wenn alle beteiligten Stellen auf dieselben Daten zugreifen können. Dafür braucht es:
- Zuerst: Hochwertige Fachdaten als Grundlage
- Dann: Ein funktionierendes System, das diese Daten zusammenführt
- Erst danach: Kann das „Once Only“-Prinzip wirklich umgesetzt werden
Die Map macht für alle Beteiligten – sowohl IT-Experten als auch Fachverantwortliche – sofort verständlich, was zuerst entwickelt werden muss, bevor das Gesamtziel erreicht werden kann. Sie sehen, welche Komponenten bereits marktreif sind und direkt eingesetzt werden können und wo noch Entwicklungsarbeit nötig ist.
So können Sie Ihre Investitionen gezielt dort einsetzen, wo sie den grössten Nutzen bringen und vermeiden teure Fehlschläge durch falsch priorisierte Projekte.
Fazit: Einfaches Werkzeug, grosse Wirkung
Wardley Maps sind ein unkompliziertes, aber wirkungsvolles Instrument, um:
- Kommunikationsprobleme zwischen Fachabteilungen und IT zu lösen
- Strategisch bessere Entscheidungen zu treffen
- Echte Innovation statt blosser Digitalisierung voranzutreiben
Probieren Sie es selbst aus – und erleben Sie, wie aus Missverständnissen plötzlich gemeinsame Lösungen entstehen!
Mehr erfahren? Video-Tutorial zu Wardley Maps
Zum Autor:

Thomas Kummer ist Leiter Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bedag Informatik AG (www.bedag.ch). Mit seiner umfassenden Erfahrung in Führungspositionen bei internationalen Telekommunikationskonzernen bringt er wertvolle Expertise im ICT-Bereich mit. Vor seiner Tätigkeit bei Bedag betreute er mehrere Jahre den Health-Markt für T-Systems Schweiz. Seine juristische Ausbildung an der Universität Bern, ergänzt durch einen Executive MBA vom IMD Lausanne, erlaubt ihm, sein Marktverständnis mit strategischem Geschäftsblick zu verbinden.