Die kurze Antwort lautet ja. Es ist ein Trugschluss, dass eine erfolgreiche Digitale Transformation nur unter Anwendung der neusten Software möglich ist. Daher empfehle ich, die Modernisierung alter Software-Applikationen zu prüfen, bevor ein kompletter Neubau oder ein Umstieg auf Standardsoftware in Erwägung gezogen wird.
Wann ist es Zeit eine alte Software-Applikation abzulösen?
Im Laufe der Zeit entsprechen Software-Applikationen nicht mehr den aktuellen Anforderungen und deren Nutzen nimmt laufend ab. Die Benutzerfreundlichkeit entspricht nicht mehr den Erwartungen der Anwender und die Produktivität der Mitarbeiter wird aufgrund von langen Antwortzeiten oder umständlichen Bedienmechanismen schlechter. Wichtige funktionale Erweiterungen und Anpassungen sind aufwändig und zeitraubend
Neue Bedrohungen und nicht dokumentierte Sicherheitslücken auf veralteten Technologie Stacks können die Integrität von Software-Applikation gefährden und schlimmstenfalls zu Reputationsverlusten und erheblichem finanziellen Schaden führen. Daher ist es unabdingbar das Sicherheitsdispositiv aller Applikationen auf hohem Niveau zu halten. Gerade bei alten Software-Applikationen kann sich dies zu einem verhältnismässig komplexen und kostenintensiven Akt entwickeln, welcher oftmals in Patchwork Lösungen endet.
Alte Applikationen sind in den meisten Fällen mit Anhängigkeiten zu bestehender Infrastruktur belastet, die eine einfache Portierung auf moderne Plattformen limitiert, was wiederum die Skalierbarkeit und Agilität einschränkt.
Anpassungen und zusätzliche Aufwände, die zur Erhöhung der Funktionalität und Erhaltung der Sicherheit notwendig sind, stehen bei alten Software-Applikationen in einem schlechteren Kosten-Nutzen Verhältnis. Daher werden solche Anpassungen oftmals nur zögerlich umgesetzt, wodurch sich das Betriebsrisiko weiter erhöht.
Weshalb lohnt sich die Modernisierung einer Software-Applikation?
Zieht man die oben erwähnten Faktoren in Betracht, geht daraus hervor, dass eine Modernisierung oder eine Ablösung notwendig ist. Inwiefern ist jedoch eine Modernisierung einer Ablösung vorzuziehen?
Früher getätigte Investitionen beim Kauf der massgeschneiderten Fachapplikationen oder Software-Lösungen erfordern eine langfristige Nutzung, um die entstandenen Kosten zu rechtfertigen. Eine Modernisierung unter Anwendung agiler Methoden und dem Einsatz moderner Technologien verlängert den Nutzungszeitraum deutlich, reduziert die Betriebsrisiken und erhöht die Benutzerfreundlichkeit.
Alte Software-Applikationen enthalten wertvolle Geschäftslogiken und -prozesse, spezifische Anpassungen und die jahrelange Erfahrung der Menschen, welche damit gearbeitet haben. Durch eine Modernisierung können diese Werte bewahrt und gleichzeitig die Funktionalität erweitert werden. Entwicklungszyklen werden beschleunigt und neue Funktionen sind schneller nutzbar.
Der Neuaufbau einer Anwendung, von Grund auf, ist teuer, riskant und zeitaufwändig. Der Wechsel zu Standardanwendungen birgt Risiken wie Datenverlust, Unterbrechungen im Geschäftsbetrieb sowie aufwändige Anpassungen an den Geschäftsprozessen und der Softwareanwendung. Eine Modernisierung minimiert diese Risiken.
Im Rahmen von Neuentwicklungs- oder Einführungsprojekten von Standardsoftware werden bestehende, effizient laufende Geschäftsabläufe angepasst, ohne dass effektiv Änderungsbedarf bestünde. Dies führt dazu, dass sämtliche Anwender neu geschult und eingespielte Arbeitsabläufe über mehrere Teams hinweg angepasst werden müssen ohne echten Mehrwert zu generieren.
Die Modernisierung bestehender Software ist nachhaltiger als eine Ablösung, da getätigte Investitionen geschützt und Ressourcen geschont werden.
Insgesamt bietet die Modernisierung den Vorteil, das Beste aus der Vergangenheit mit der Gegenwart zu kombinieren: die Werte der alten Anwendung zu bewahren, die Investition zu sichern und gleichzeitig die Funktionalität und Effizienz zu verbessern.
Vorschlag einer erprobten Vorgehensweise
Die Modernisierung von alten Software-Applikationen erfordert eine sorgfältige Planung. Ich empfehle folgende allgemeine Vorgehensweise, welche sich je nach Ausgangslage individuell anpassen lässt.
1. Identifizieren der Schwächen der alten Applikation unter Einbezug aller Anwender
2. Ableiten von Zielen und Anforderungen
3. Prüfen der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit einer Modernisierung
4. Sicherstellen der Budgets und Ressourcen. Bei Bedarf externe Unterstützung beauftragen.
5. Festlegen und priorisieren der Aufgaben und identifizieren von Quick-Wins
6. Realisieren der Modernisierung inklusive testen der Ergebnisse
7. Entwickeln und durchführen der Anwenderschulung
8. Messen und Überprüfen der Ziele und Ergebnisse
9. Einführen und go-live
Zum Autor:
Reto Brechbuehl ist Gründer und CEO der Limetree Group und der queo swiss AG. Er ist leidenschaftlicher Software-Unternehmer und Experte für die Digitale Transformation von Organisationen. Reto Brechbuehl ist Verwaltungsratspräsident der Limetree Innovations AG, der Versicherix AG und Vorstandsmitglied im Digital Impact Network als Mitinitiant des Chapter Solothurn.